Innovationstag 2006: BMW Fahrerassistenzsysteme. 3. BMW Group Forschungs-
und Entwicklungskompetenz
3.2 Der Mensch als Maßstab für neue Technologien: Das BMW Group Usability
Lab.
Moderne Fahrerassistenzsysteme haben großen Einfluss darauf, wie Mobilität
erlebt wird. Sie steigern die Kompetenz des Fahrers bei der Wahrnehmung und
Bewältigung komplexer Verkehrssituationen, sie entlasten ihn und liefern darüber
hinaus eine Fülle von Informationen. So tragen Fahrerassistenzsysteme und
Fahrerinformationssysteme auf vielfältige Weise zum souveränen, sicheren und
komfortablen Fahren bei. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist eine sichere und
möglichst intuitive Bedienbarkeit. Der Fahrer muss die Systeme mühelos nutzen
können, ohne dabei vom Verkehrsgeschehen abgelenkt zu werden. Um Bedien- und
Anzeigekonzepte entwickeln zu können, die diesen Anforderungen gerecht werden,
leistet die BMW Group Grundlagenforschung auf dem Gebiet der
Mensch-Maschine-Interaktion (MMI). Im unternehmenseigenen Usability Lab werden
neue Technologien bereits in einer frühen Phase unter wissenschaftlichen
Bedingungen und an neutralen Testpersonen erprobt. Dabei sammeln die Forscher
wichtige Erkenntnisse über die Wahrnehmung und das Bedienverhalten der
Probanden. Dieses Wissen fließt unmittelbar in die Entwicklung neuer
Fahrerassistenzsysteme ein.
BMW
Group, Zentrum für Fahrsimulation und Usability-Lab, Dynamischer Fahrsimulator
Im Mittelpunkt der Arbeit im Usability Lab steht die Erprobung neuer
Technologien für Bedien- und Anzeigekonzepte. So sorgen zum Beispiel Displays
und Bedienelemente neben akustischen Informationen in der
Mensch-Maschine-Interaktion für den optischen und taktilen Kontakt zwischen dem
Fahrer und seinem Fahrzeug. An diesen Schnittstellen muss ein möglichst
optimaler Informationsfluss erfolgen. Erst dann wird das technische Potenzial
eines Fahrerassistenzsystems auch wirklich in vollem Umfang und ohne
unerwünschte Nebeneffekte genutzt.
Grundlagenforschung für optimale Bedienbarkeit.
Jede neue Form der Darstellung von Informationen und der Aktivierung von
Funktionen wird im Usability Lab umfangreichen und grundlegenden Tests
unterzogen. Die Forscher dieses Erprobungszentrums für Gebrauchsfähigkeit
(englisch: usability) beschäftigen sich dabei nicht nur mit fertig entwickelten
Assistenzsystemen. Ihre Arbeit setzt weitaus früher an. In der
Grundlagenforschung geht es unter anderem um die Größe, die Positionierung oder
die Farbgestaltung von grafischen Darstellungen. Auch Form, Handhabung,
Platzierung und Funktionsumfang von Reglern und Tastern werden auf der Basis
wissenschaftlicher Untersuchungen festgelegt. Jede neue Idee für die Gestaltung
und Anordnung von Anzeigen oder Bedienelementen wird umgehend dem Praxistest
unterzogen. Maßstab ist dabei immer der Mensch. Die Reaktionen der Testpersonen
entscheiden darüber, wie und in welcher Form neue Technologien bei der
Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen und Fahrerinformationssystemen zum
Einsatz kommen. Dabei unterscheiden sich die Anforderungen je nach Funktion und
Situation, in der sie genutzt werden. Sicherheitsrelevante Hinweise müssen
besonders auffällig übermittelt werden. Häufig genutzte Funktionen verlangen
nach einer durchgängigen und daher einprägsamen Bedienbarkeit. Entscheidend ist
in jedem Fall, wie sich der Umgang mit neuen Systemen auf das Verhalten des
Fahrers auswirkt. Wie viele Informationen kann er auf einen Blick verarbeiten?
Welche Aufmerksamkeit ist nötig, um eine Funktion zu aktivieren? Wie lange und
wie oft muss der Fahrer den Blick von der Straße abwenden? Kann die Bedienung
unterbrochen werden, um sich nur kurz und wiederholt von der Fahraufgabe
abzuwenden? Fragen wie diese bestimmen den Testalltag im Usability Lab.
Tests im Labor und im Fahrsimulator.
Neue Technologien werden im Usability Lab einem mehrstufigen Testverfahren
unterzogen. Auch die Methoden der Erprobung und Simulation sind vielfältig. Die
neutralen und sorgsam ausgewählten Testpersonen geben zunächst ein pauschales
Urteil über ihre Eindrücke beim Umgang mit einem neuen System in einer
Laborumgebung ab. In weiteren Testläufen wird die Anwendung in einer
Fahrzeugumgebung erprobt. Besonders praxisnahe Eindrücke werden schließlich bei
der Erprobung in einer Fahrsituation gesammelt. Dank der unmittelbaren
Nachbarschaft zum neuen dynamischen Fahrsimulator der BMW Group können die
Untersuchungsbedingungen sehr flexibel und anspruchsvoll gestaltet werden.
BMW
Group, Usability Lab, Okklusionsmethode
Zu den bewährten Analyse-Methoden gehört die so genannte Okklusionstechnik.
Die Probanden blicken dabei durch eine Spezialbrille, deren Sichtfeld in
regelmäßigen Abständen geöffnet und geschlossen wird. Auf diese Weise werden
Blickunterbrechungen simuliert, um zu ermitteln, ob sich eine Funktion mit den
zu testenden Bedieneinheiten auch bei unterbrochener Zuwendung noch wunschgemäß
aktivieren lässt. So erweist sich beispielsweise das Schreiben einer
SMS-Kurzmitteilung per Handy-Tastatur unter diesen Testbedingungen als extrem
schwierig. Ausgehend von dieser Erkenntnis setzt die BMW Group auf Anzeige- und
Bedienkonzepte, die sich vergleichsweise mühelos nutzen lassen und
deren Handhabung keinen permanenten Blickkontakt weg von der Fahrbahn erfordert.
Ablenkung und Konzentration werden gemessen.
Dieses Kriterium ist vor allem deshalb von großer Bedeutung, weil sich der
Fahrer auch während der Bedienung eines Informationssystems stets maximal auf
das Verkehrsgeschehen konzentrieren soll. Wie groß die potenzielle Ablenkung
ausfällt, kann mit dem so genannten Lane Change Test ermittelt werden. Die
Testpersonen erhalten im Rahmen einer Computer-Simulation die Aufgabe, am PC
oder in einem Fahrsimulator eine Geradeausstrecke zu bewältigen und dabei
innerhalb kurzer Zeit mehrfach die Fahrspur zu wechseln. Dabei wird gemessen, ob
und mit welcher Anstrengung es ihnen möglich ist, während der Fahrt ein
Assistenzsystem zu bedienen.
Noch intensiver erfolgt die Messung der Fahrer-Reaktionen mit dem so
genannten Eye-Tracking-Verfahren, das zum Beispiel in einem Fahrsimulator
angewendet wird. Auch in diesem Fall bewältigen die Testpersonen eine imaginäre
Verkehrssituation bei gleichzeitiger Nutzung eines Systems. Beim Eye Tracking
erfassen mehrere Kameras die Blickbewegungen und darüber hinaus unter anderem
auch die Stellung der Pupillen im Auge der Testperson. Auf diese Weise kann
neben dem Blickverhalten auch der Grad der Konzentration erfasst werden. Die für
Stresssituationen typische Verengung der Pupille gibt Aufschluss über
Schwierigkeiten bei der Anwendung der erprobten Bedientechnologie.
Wissenschaftliche Erkenntnisse führen zu optimaler Ergonomie.
Die Usability-Forschung hat sich erst seit wenigen Jahren in dieser Form als
fester Bestandteil der Technologie-Entwicklung etabliert. Die Forschungen im
Usability Lab der BMW Group haben inzwischen zu allgemein anerkannten und für
die Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen und Fahrerinformationssystemen
elementaren Erkenntnissen geführt. Auf wissenschaftlich fundierten Daten basiert
beispielsweise die ergonomisch ideale Platzierung des Control Displays im
Instrumenten-Träger von BMW Fahrzeugen. Das mittig und weit oben angeordnete
Display ermöglicht es dem Fahrer, mit einer kurzen Abwendung des Blicks von der
Straße neue Informationen aufzunehmen. Dabei ist die Distanz zwischen Auge und
Display von durchschnittlich 90 Zentimetern ein auf wissenschaftlichen
Erkenntnissen beruhender Idealwert. Beim Blickwechsel von der Straße zum Display
muss das Auge nur geringfügig neu fokussieren, was die schnelle Wahrnehmung
erheblich erleichtert.
BMW
Group, Usability Lab, Okklusionsmethode
Auch die beim BMW iDrive erstmals angewandte Trennung zwischen Bedieneinheit
und Anzeige optimiert die Aktivierung von Funktionen. Die erforderlichen
Handbewegungen entsprechen den ergonomischen Gegebenheiten, die Informationen
werden immer an der gleichen Stelle dargestellt. Somit wird die Ablenkung des
Fahrers vom Verkehrsgeschehen auf ein Minimum reduziert. Ein weiteres Resultat
der Analysen im Usability Lab ist die Konfiguration des Head-Up-Display (HUD).
Ausschließlich für das Fahren unmittelbar relevante Informationen werden auf die
Frontscheibe projiziert. Mit den direkt in sein Blickfeld eingespielten Daten
erhält der Fahrer aktuell nutzbare Informationen, ohne dass dabei seine
Konzentration auf das Verkehrsgeschehen eingeschränkt wird.
Quelle: BMW Presse-Information vom 10.07.2006
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