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BMW Motorsport - Formel 1 Saisonrückblick 2007
Interview mit BMW Motorsport Direktor Mario Theissen.
- Wie lautet Ihr Fazit der zweiten Saison des BMW Sauber F1 Teams?
BMW Motorsport Direktor Mario Theissen: Es war eine starke Saison, an deren
Ende wir sogar noch die 100-Punkte-Marke geknackt haben. Wir sind von WM-Platz
fünf in die Saison gegangen mit 36 WM-Zählern aus unserem Debütjahr. Platz vier
mit deutlich mehr Punkten war Pflicht, Platz drei die Kür. Am Grünen Tisch haben
wir sogar Platz zwei zugesprochen bekommen. Doch das bedeutet uns nicht wirklich
etwas. Denn wir wissen: Es sind noch vier Autos schneller als wir, und die
wollen wir auf der Strecke schlagen. Es war überraschend, dass wir uns von
Anfang an als dritte Kraft präsentiert haben und diese Position praktisch in
jedem Rennen unter Beweis stellen konnten. Gelegentlich ist es uns gelungen, in
die Phalanx der beiden Top-Teams einzubrechen, und so haben wir auch die
angestrebten Podiumsplätze aus eigener Kraft erzielt. Fazit: Wir können stolz
auf das Erreichte sein - sowohl was die Entwicklung über den Winter als auch was
das Entwicklungstempo während der Saison angeht. Wir haben es in den beiden
Aufbaujahren jeweils geschafft, unsere Ziele zu erreichen. Die Ingenieure sehen
also: Unsere Ideen schlagen an. Das schafft Vertrauen in die eigene Strategie.
Sie können ableiten: Der Weg, den wir gehen, ist richtig.
- Was waren für Sie Höhepunkte 2007?
Theissen: Das war eindeutig das Rennen in Montréal. Dort hat Nick mit Platz
zwei das bisher beste Resultat für unser Team eingefahren. Dass Robert seinen
Unfall praktisch unverletzt überstanden hat, war auch ein Beleg für die
Stabilität und hervorragende Bauweise des Autos. Insofern war dieses Wochenende
für uns ein gefühlter Doppelsieg.
Theissen: Ja, die gab es auch. Allen voran der Schreck, der uns bei Roberts
Unfall in Montréal in die Glieder gefahren ist. Die Minuten bis zur erlösenden
Nachricht, dass er praktisch unverletzt war, waren quälend. Andere, weniger
dramatische Tiefpunkte waren die Ausfälle wegen technischer Defekte. So etwas
wird sich nie ganz ausschließen lassen, aber eine Nullrunde eines Fahrers am
Sonntag schmerzt das ganze Team, weil der Lohn des Arbeitseinsatzes ausbleibt.
Immerhin haben wir in jedem Rennen gepunktet und sind daher an keinem der 17
Rennwochenenden leer ausgegangen.
- Wo lagen die größten Fortschritte gegenüber 2006?
Theissen: 2006 hatten wir noch eine Schwäche auf langsamen Strecken, 2007 war
dies nicht mehr der Fall.
- Waren Sie mit den Leistungen Ihrer Fahrer zufrieden?
Theissen: Ja, Nick und Robert haben auf und neben der Rennstrecke überzeugt.
Deshalb werden wir auch mit beiden weiterfahren. Wir waren uns schon sehr früh
in der Saison darüber einig. Roberts Vertrag haben wir nach seinem schweren
Unfall in Kanada verlängert noch ehe er wieder im Auto saß. Und auch mit Nick
waren wir früh auf einer Linie, sodass wir die Vertragsformalitäten gelassen im
Laufe der Saison erledigen konnten.
- In welchen Bereichen fehlt noch am meisten zur Spitze?
Theissen: Verbessern kann man sich immer und überall. Das größte Potenzial
steckt eindeutig in der Aerodynamik. Es geht nicht darum, 2008 eine spezielle
Schwäche zu eliminieren, sondern darum, die drei bis fünf Prozent in allen
Bereichen zu finden, die noch zur Spitze fehlen. Das ist der Feinschliff also
eher Evolution als Revolution.
- Ist die Aufbauphase des Teams mittlerweile abgeschlossen?
Theissen: Das wird wie geplant zum Jahreswechsel der Fall sein. Wir haben
mittlerweile 420 Mitarbeiter in Hinwil an Bord, in München sind es unverändert
knapp 300. Der Bezug des Erweiterungsbaus in Hinwil ist in vollem Gange.
- War der weitere Ausbau des Teams noch eine Belastung?
Theissen: Als wir die Mehrheitsanteile an Sauber übernommen haben,
waren in Hinwil 275 Mitarbeiter beschäftigt. Es war ein Kraftakt, die neuen
Kollegen während der laufenden Saison und der Entwicklung des nächstjährigen
Autos ins Team zu integrieren. Außerdem ist es für alle angenehmer, nicht in
einem provisorischen Container zu arbeiten, sondern in einem permanenten Büro.
- Inwieweit sind Sie noch direkt in die technische Entwicklung involviert?
Theissen: Ich informiere mich in regelmäßigen Abständen über alle
Entwicklungsvorgänge. Wir haben Regelbesprechungen, ich gehe aber auch zu den
Ingenieuren an den Arbeitsplatz. Die Entscheidung, welchen Weg wir in der
Entwicklung gehen, wird von Willy Rampf und Markus Duesmann getroffen. Stehen
wir an einer Weggabelung ohne Hinweisschild, werde ich in die Entscheidung
einbezogen. Ich sehe mich in erster Linie als Coach, der Ziele definiert,
Voraussetzungen schafft und Orientierung gibt.
- Ab wann haben sich die Techniker mit dem Fahrzeug für 2008 befasst?
Theissen: Die Konzeption begann im Mai 2007. Wir hatten zur Saisonmitte
bereits den dritten Platz in der Konstrukteurs-WM zementiert. Die beiden Teams
vor uns in den Punkten einzuholen, war unrealistisch, und nach hinten war viel
Luft. Also konnten wir frühzeitig den Entwicklungsschwerpunkt auf 2008 legen.
Beim Jerez-Test Mitte September haben wir die Weiterentwicklung am F1.07
komplett abgeschlossen und den Schalter auf 2008 umgelegt.
- BMW gilt als führend im Bereich Elektronik. Stört Sie die Einführung der
Einheits-ECU?
Theissen: Wir haben uns in der Tat gegen die Standardelektronik
ausgesprochen. Die Umrüstung von Fahrzeugen, Motoren und Getrieben, aber auch
der Prüfstände, hat erhebliche Mehrkosten ausgelöst. Schaut man in die Zukunft,
gibt es allerdings noch ein wichtigeres Gegenargument: Nicht nur das Auto,
sondern jedes technische Gerät ist heute mit einer komplexen und auf den
jeweiligen Funktionsumfang maßgeschneiderten Steuerelektronik ausgestattet. Die
Elektronik ist das Nervensystem, ohne das das Gerät gar nicht oder nur
eingeschränkt funktioniert. Wir wollen die Formel 1 zum Pionier für
Antriebstechnologien von künftigen Serienfahrzeugen machen. Konkret wird für die
weitere Zukunft ein System entwickelt, das beim Bremsen Energie rückgewinnt,
diese speichert und beim Beschleunigen parallel zum Verbrennungsmotor wieder
zuführt. Nur eine sehr feinfühlige Steuerelektronik kann diese Eingriffe sauber
aufeinander abstimmen, die Fahrsicherheit unter allen Umständen gewährleisten.
Wenn wir also das´Potenzial dieses Systems wirklich erschließen wollen, gehört
eine maßgeschneiderte Elektronik einfach dazu.
- Die erfolgreiche Saison 2007 erhöht den Erwartungsdruck für 2008 wie gehen
Sie damit um?
Theissen: Natürlich wachsen die Erwartungen mit jedem Erfolg, den man
erreicht. Das ist allerdings nicht nur ein Druck von außen, sondern vor allem
unser eigener Anspruch im Team. Wir schließen mit dieser Saison die Aufbauphase
des BMW Sauber F1 Teams ab. Diese Phase ist wie geplant gelaufen und hat uns in
kurzer Zeit in die Top 3 geführt. Im nächsten Jahr wollen wir das erste Rennen
gewinnen. Dass dies nicht von selbst passiert, wissen wir. Die großen
Fortschritte vor allem in diesem Jahr zeigen uns, dass Entwicklungsrichtung und
Arbeitsweise stimmen. Entsprechend hoch ist die Motivation.
- Im kommenden Jahr finden 18 Rennen statt, eines mehr als in dieser Saison. In
Zukunft können es 20 Grands Prix sein. Was halten Sie von diesem Vorhaben?
Theissen: 20 Rennen ist eine hohe Zahl, die das ganze Team insbesondere die
Mitarbeiter an den Renn- und Teststrecken, die sehr viel unterwegs sind -
entsprechend belastet. Aber wir könnten damit leben. Schließlich betreiben wir
einen großen Aufwand, um Formel-1-Rennen zu fahren. Und wenn wir wirklich zwei
Rennen mehr fahren sollten, hieße das für uns auch: Der Aufwand wird effizienter
genutzt. Doch gilt es zu überlegen, wie ein derartiges Mammut-Programm bewältigt
und der komplette Reisekalender logistisch sinnvoll aufgestellt werden kann.
- Wie wünschen Sie sich den Formel-1-Kalender der Zukunft?
Theissen: Es sollte eine Mischung aus Tradition und Moderne sein. Fakt ist:
Die Formel 1 braucht immer einen europäischen Kern mit den
Traditionsrennstrecken wie beispielsweise Monza, Silverstone, Spa oder dem
Nürburgring. Das ist auch nicht ernsthaft in Frage gestellt worden. Aber man
muss sich auch fragen: Wo liegen die Chancen für die Formel 1? Und die liegen
nun einmal in den neuen Märkten, die sich besonders schnell entwickeln,
natürlich vorrangig in Asien. Dort schlummert ein immenses Potenzial. Wenn sich
die Formel 1 dort etablieren kann, sichert dies den Stellenwert der Königsklasse
für die Zukunft ab.
- Wer wird Ihr Testfahrer in der Saison 2008?Was waren für Sie Höhepunkte 2007?
Theissen: Wir werden jungen Fahrern in Kürze Testchancen geben und uns dann
entscheiden. Timo Glock fährt im kommenden Jahr jedenfalls nicht mehr für das
BMW Sauber F1 Team. Wir haben ihm ein Angebot als Testfahrer gemacht, aber er
hat die Chance auf ein Renncockpit bei einem Mitbewerber erhalten. Wir wünschen
Timo für seine Zukunft in der Formel 1 viel Erfolg. Er ist einer der viel
versprechenden Fahrer, die aus der Formel BMW kommen und eine gute Perspektive
für die Zukunft haben. Wir trauen ihm zu, sich in der Formel 1 zu etablieren.
Ich will nicht ausschließen, dass wir auch in Zukunft wieder zusammen arbeiten.
Quelle: BMW Presse-Information vom 20.11.2007
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