12.11.2003
BMW AG Vorstand: "Recycling um jeden Preis führt in die Sackgasse"
Berlin. BMW AG Produktionsvorstand Dr. Norbert Reithofer forderte
gestern am Rande einer DIE ZEIT Podiumsdiskussion mit Bundesumweltminister
Jürgen Trittin zukunftsfähige Recyclingvorschriften für die Automobilindustrie.
Die europäische Altautorichtlinie gibt für die Verwertung von Altfahrzeugen ab
dem Jahr 2006 eine Verwertungsquote von 85 Gewicht-Prozent vor. Ab 2015 soll
diese auf 95% angehoben werden. Das Problem: Vor allem schwere Materialien wie
Eisen oder Stahl können optimal wiederverwertet werden und erfüllen diese Quote,
sie führen aber zu einem hohen Fahrzeuggewicht und damit zu einem höheren
Energieverbrauch und CO2-Ausstoß. Leichtbaumaterialen und nachwachsende
Rohstoffe hingegen reduzieren über den kompletten Produktions- und Lebenszyklus
hinweg den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß maßgeblich. Sie verbessern die
gesamte Ökobilanz eines Autos, wirken sich aber negativ auf die Recyclingbilanz
aus.
Dr. Norbert Reithofer, BMW Group, Mitglied des Vorstandes
Das Dilemma: Wer wie die BMW Group Leichtbau betreibt, verschlechtert
automatisch die Recycling-Quote und steht damit im Widerspruch zu den Zielen der
EU Altauto-Richtlinie. "Die Politik muss das Thema Umweltschutz endlich
umfassend betrachten und nicht mit isolierten Grenzwerten Zielkonflikte
schaffen, die den Fortschritt im automobilen Leichtbau bremsen. Recycling um
jeden Preis führt in die Sackgasse. Wir wollen mit intelligentem Leichtbau die
gesamte Ökobilanz eines Autos über den Produktions- und Lebenszyklus bis zum
Recycling verbessern", sagte Dr. Reithofer.
Intelligenter Leichtbau statt feste Recyclingquoten
Technisch betrachtet ist ein BMW Fahrzeug heute schon nahezu vollständig
wiederverwertbar, so dass die Recyclingquoten von 85% und später 95% keine große
Herausforderung darstellen. Dies ist jedoch weder ökologisch noch ökonomisch
sinnvoll. Die BMW Group bevorzugt stattdessen intelligenten Materialmix und
setzt für jedes Bauteil genau das Material ein, das technisch, ökologisch und
ökonomisch die Anforderungen am besten erfüllt. Aus Sicht der Automobilindustrie
fehlt die Abstimmung der politischen Ziele mit den neuesten technologischen
Errungenschaften im Leichtbau ebenso wie eine sinnvolle Priorisierung. "Der
Gesetzgeber muss den Weg frei machen für die jeweils ökologisch beste Lösung -
egal ob das Recycling ist oder eine Verbrennung zur Energieerzeugung", betonte
Dr. Reithofer.
Eine BMW interne Ökobilanz zur Motorhaube und den vorderen Seitenwänden aus
Aluminium beim neuen 5er BMW hat ergeben, dass allein diese Bauteile über den
Lebenszyklus eine Kraftstoffeinsparung von ca. 40 Litern Benzin einfahren. Die
Gewichtsersparnis durch Aluminium von bis zu 50% je Bauteil bzw. ca. 12 bis 20
kg pro Fahrzeug führt allerdings auch zu einer Verschlechterung der
Recyclingquote von ca. 1%.
Studien zeigen zudem, dass insbesondere bei Kunststoff-Bauteilen und
nachwachsenden Rohstoffen das Recycling insgesamt der ökologisch schlechtere Weg
ist: Ökologisch sinnvolle Verwertungstechnologien - wie zum Beispiel der Einsatz
von gemischten Altkunststoffen mit einem hohen Brennwert zur Energieerzeugung -
dürfen deshalb nicht von einer starren Recyclingquote benachteiligt werden.
"Design for Environment": BMW Group Recycling- und Demontage-Zentrum seit
1990
Die BMW Group verfügt beim Recycling über einen großen Erfahrungsschatz. Bereits
1990 nahm das BMW Group Recycling- und Demontage-Zentrum (RDZ) seinen Betrieb
auf - lange bevor die Politik gesetzliche Regelungen installiert hat.
Spezialisten begleiten dort von Anfang an die Entwicklung von Neufahrzeugen
unter ökologischen Aspekten. Das Ziel lautet "Design for Environment". Dabei
arbeiten Recycling- und Ökobilanz-Experten mit Entwicklern im Forschungs- und
Innovations- Zentrum Hand in Hand. Das Ergebnis: Bereits heute werden bei der
Produktion von Neufahrzeugen qualitativ hochwertige Recyklate eingesetzt. Im
Sinne dieses übergreifenden Ansatzes baut die BMW Group seit über 10 Jahren
zudem ein Netz von Recyclingpartnern auf, um die umweltverträgliche Verwertung
der Altfahrzeuge sicherzustellen.
Erfahrungsaustausch von Politik und Wirtschaft führt zum Ziel
Aus Sicht der BMW Group führt nur ein enger Schulterschluss von Politik und
Wirtschaft zum Ziel, die Umweltverträglichkeit von Automobilen weiter zu
steigern. Dies bedingt erstens die Schaffung individueller Freiheitsgrade und
Deregulierung. Zweitens müssen isolierte Grenzwerte mit einer umfassenden
Betrachtung der Umweltauswirkung abgestimmt werden.
Quelle: BMW Presse Information vom 12.11.03
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