BMW Gebrauchtwagenzentrum Fröttmaning, ein grauer Septembertag im Jahre des Herrn 2007
Es ist sechzehn Uhr drei und wir (meine Gattin nebst meiner Wenigkeit) stehen in der von mir so getauften "Impulskaufzone". Jene befindet sich in der ersten Etage der Anlage und beherbergt die unverkauften Fahrzeuge, welche bereits länger als sechs Monate Standzeit aufweisen und nun mittels periodischer Preisreduktion sowie bunter Werbeaufkleber an den Mann resp. die Frau gebracht werden sollen.
Üblicherweise ist jeder noch so unauffällige Kunde nach spätestens zehn Minuten stolzer Besitzer eines zentimeterhohen Visitenkartenstapels (über)eifriger Verkäufer. Ich führe diese lustigen Schnipselchen Papier in den Folgetagen so weit wie möglich einer sinnvollen Weiterverwendung wie z. B. dem Einwurf in Tombolalos-Urnen oder dem Austausch bei Verkehrsunfällen zur Ermittlung meiner Identität zu. Unlängst hatte ich eines dieser Kärtchen unter den Scheibenwischer des Porsches meines Tiefgaragennachbarn (ein wirklich unangenehmer Zeitgenosse, der nie grüßt) geklemmt und mit schwarzem Folienschreiber ein dickes "Stummelschwänzchen" auf seine Kofferraumhaube geschrieben. Ein veritabler Spaß, über den wir noch Wochen später herzhaft lachen konnten, aber ich schweife ab...
Zurück zur Mutter aller Freundlichen: Wir warten - Sträflingen im Gefängnishof gleich - an den stehenden Wagen entlang schreitend. Nichts passiert. Etliche Minuten später fassen wir den verhängnisvollen Entschluss, aktiv nachzuhelfen. Nachdem wir die Vorstellung "Epileptischer Anfall am Spätnachmittag" bereits letzte Woche im Küchenstudio eines namhaften Münchener Möbelhauses erfolgreich bemüht hatten, versuchen wir es dieses Mal ganz unspektakulär mit dem Gang zum Empfang.
"Direkt unangenehm, die junge Damen mit unserem Anliegen zu behelligen" schießt es mir durch den Kopf, als ich sehe, wie Fräulein ... intensiv damit beschäftigt ist, das Flirten mit einem am Tresen lehnenden Kollegen mit der Herausforderung "Wie stopfe ich mit möglichst wenig Kaubewegungen ein extra großes Wies'n-Lebkuchenherz in mich herein" zeitgleich zu koppeln. Erst im Nachhinein wurde mir indes klar, dass ihr Widerpart zur Rechten einem üblen Streich seiner Mitarbeiter zum Opfer gefallen sein muss, die augenscheinlich Sekundenkleber am Hörer seines Telefons angebracht hatten. Während der gesamten Zeit nahm er diesen, ohne auch nur ein Sterbenswörtchen von sich zu geben, nicht von seinem linken Ohr.
"Wir würden gerne einen Verkäufer sprechen" sage ich wahrheitsgemäß, während etwa fünf Meter links von uns ein Mechaniker zur Freude der übrigen Angestellten diverse Scherze reißt. Es geht einfach nichts über ein entspanntes Betriebsklima.
"Sofort" säuselt die junge Dame, greift zum Hörer, tippt in die Tasten und blickt kurz in Richtung Decke.
"
Halloooooo? Ich bin's!!! Bist Du freiiiii???" schallt es durch den gesamten Eingangsbereich. Ich grüble noch, weshalb sie wohl das Telefon benutzt. Ihre meterdicke Stahlplatten durchdringende Stimme ist bis weit auf den Freiplatz deutlich zu vernehmen. "
Hier sind Kunden für Dich!!!"
Sie sieht mich an und ein "Der Herr ... kommt gleich" verlässt ihre Lippen, während ihr Gesicht zu einer unnatürlich grinsenden Facies mutiert. Ich kenne diesen Vorgang, der in der Pixelgrafikmanipulation "Morphing" genannt wird.
Wir warten...
...lange Minuten...
...während meine Gattin und ich uns immer und immer wieder kopfschüttelnd und schulterzuckend anschauen.
Endlich: Ein Herr in den Endzwanzigern und nachtblauem Anzug nähert sich dynamischen Schrittes. "Habe ich es mit Herrn ... zu tun?", fragt er mich in servilem, vielleicht schon fast
zu subalternem Ton.
"Eindeutig nicht" denke ich, "aber ein netter Plausch könnte uns beiden schließlich die Wartezeit verkürzen". So beginne ich geistesgegewärtig mit den Worten "Wenn Sie mir ein Auto verkaufen, dann bin ich sogar Herr ..." eine Unterhaltung, welche jedoch just an dieser Stelle durch ein zwerchfellerschütterndes Kreischen ihr Ende findet. In harschem Befehlston zitiert die junge Dame mein Gegenüber an den Empfangstisch. Eines ist mir jetzt klar: Im Falle junger Herren versteht das Mädel schlichtweg keinen Spaß.
Wieder vergehen quälende Minuten der Ungewissheit, bis ich schließlich zu meiner Gattin sage: "Noch
eine Minute". Ich zähle (für alle hörbar) herunter: "Dreißig...zwanzig...zehn..."
"Wir warten oben auf B11" schleudere ich in Richtung Infodesk und erklimme entnervt die nächstgelegene Treppe. "
Welcheeeer Stoooock?" Das Gebäude erbebt, dann wird es totenstill. Meine Frau hat ein Einsehen und entgegnet: "Erster."
Dort angekommen werfen wir nochmals ein paar flüchtige Blicke auf die so titulierten "Angebote". Nach weiteren unendlich scheinenden Minuten des Wartens (gefühlte drei Stunden) beschließen wir, unser Abenteuer Autokauf an dieser Stelle zu beenden und verlassen kleinlaut und von den übrigen Protagonisten unbemerkt den Ort der Schmach: die Treppe hinunter, durch die Schiebetüre rechts auf den Hof und hinein in unseren Wagen.
"Morgen kaufe ich mir erst einmal einen neuen Kugelschreiber" murmele ich vor mich hin, während ich meinen titansilbernen E65 durch die geöffnete Schranke lenke.
Danke, dass Sie BMW gewählt haben...