20.11.2008
Schnelle Schlitten - die Suche nach der Tausendstelsekunde.
Oberhof / München. Die steigenden Geschwindigkeiten auf den Eisbahnen
dieser Welt machen für Bobfahrer und Rennrodler eine optimale Windschlüpfrigkeit
immer mehr zum Erfolgsfaktor. Seit über 20 Jahren kommen daher die deutschen
Athleten mit ihren Sportgeräten zu Tests in den Windkanal der BMW Group. In
einem Sport, in dem oft Tausendstelsekunden über den Sieg entscheiden, ist die
Messgenauigkeit, die der BMW Group Windkanal bietet, vielleicht sogar "Gold
wert".
![Athleten, Trainer und Aerodynamic-Experten im BMW Windkanal](2008/bmw_windkanal_p0049693-c.jpg)
Athleten, Trainer und
Aerodynamic-Experten im BMW Windkanal
Im Windkanal der BMW Group stehen täglich Autos auf dem Prüfstand, deren
Luftwiderstand und Auftrieb sowie das Strömungsprofil dort untersucht und
optimiert werden. Dies trägt zur Verbrauchssenkung und zur Steigerung der
Dynamik bei. Außerdem finden im Windkanal Untersuchungen zur Akustik, zum
Komfort und zur Kühlung sowie Verschmutzungstests statt. Bei den Tests der
Sportler geht es vorwiegend um den Luftwiderstand, der möglichst gering sein
soll. Und das bei Geschwindigkeiten von annähernd 150 km/h.
Die vergangene Saison 2007/2008 war für den Bob- und Schlittenverband für
Deutschland (BSD) außerordentlich erfolgreich: Sieben von acht Bob- und
Rodel-Weltcupsieger kamen aus den deutschen Reihen. Außerdem räumten die
Athleten alle Weltmeistertitel in Altenberg ab. Doch der Erfolg kommt nicht von
ungefähr. Im Juni wurde der neue Viererbob-Prototyp für die anstehende Saison im
Windkanal der BMW Group auf Herz und Nieren - oder besser auf Luftwiderstand,
Auf- und Abtrieb - getestet. Und auch die Rennrodler optimieren ihre
Körperhaltung, das Material und das Sportgerät im Windkanal. Entscheidend bei
den Untersuchungen sind die Genauigkeit der Messungen und die Möglichkeit auch
bei hohen Geschwindigkeiten zu testen. Das bietet der BMW Windkanal. Und es war
den Aerodynamikern der BMW Group eine Ehre, die Sportler auf ihrem Weg zu
olympischem Gold zu unterstützen.
![4er Bob der Saison 2007/2008 im BMW Windkanal](2008/bmw_windkanal_p0049671-c.jpg)
4er Bob der Saison
2007/2008 im BMW Windkanal
Die Unterschiede zwischen Tests mit Autos und Bobs sind gar nicht so groß.
"Der größte Unterschied ist, dass unsere Fahrzeuge Räder haben und die Bobs
Kufen. Ansonsten gelten dieselben Prinzipien." erläutert Hans Kerschbaum, bei
der BMW Group Leiter der Aerodynamik. Natürlich ist die Stirnfläche des Bobs
wesentlich geringer und eher vergleichbar mit einem Motorrad als mit einem Auto;
der Strömungswiderstandskoeffizient, kurz CW-Wert, ist aber etwas höher als bei
aktuellen Fahrzeugen. Beispielsweise hat der aktuelle BMW 3er einen CW-Wert von
0,26, ein Bob liegt bei ca. 0,32 bis 0,35.
Körperspannung bei über 140 Stundenkilometern.
Gerade für die Rennrodler ist die Aerodynamik entscheidend. Mehr als bei den
Bobfahrern ist neben dem Sportgerät vor allem auch die Körperhaltung wichtig. Im
September war deshalb die deutsche Rennrodelelite im BMW Group Windkanal zu
Gast. Patric Leitner und Alexander Resch, das seit Jahren erfolgreiche
Doppelsitzerteam, arbeitet gezielt hin auf Olympia 2010: "Wir haben mit Olympia
noch eine Rechnung offen, weil Turin und der sechste Platz waren nicht unser
Ding. Deswegen wollen wir in Vancouver noch mal an den Start, kämpfen und eine
Medaille holen. Das wird unser letztes Rennen sein, und da wollen wir auf dem
Treppchen stehen."
![Athleten und Trainer im BMW Windkanal (v.l.n.r.: Karl Angerer, Hans Wimmer, Raimund Bethge, Kevin Kuske)](2008/bmw_windkanal_p0049677-c.jpg)
Athleten und Trainer im
BMW Windkanal (v.l.n.r.: Karl Angerer, Hans Wimmer, Raimund Bethge, Kevin Kuske)
Dazu wird auch an vermeintlichen Kleinigkeiten gefeilt, beispielsweise an der
Fußhaltung. Norbert Loch, der Cheftrainer der Rennrodler zu den Windkanaltests:
"Es wird ausgewertet, welche Fußhaltung die bessere für den jeweiligen Sportler
ist, und das wird er versuchen, so zu trainieren, und auch im Wettkampf diese
optimale Haltung zu erreichen." Bei den Messungen im Windkanal werden selbst
feinste Unterschiede sofort sichtbar. Die Waage unter dem Schlitten erfasst auch
kleine Abweichungen im Auf- oder Abtrieb, d.h. Unterschiede im Grammbereich.
Eine Rauchfahne macht zudem Verwirbelungen sichtbar, bei den Rodlern zum
Beispiel an den Füßen, bei Autos beispielsweise an den Außenspiegeln. Position
und Winkel sind bei beiden ausschlaggebend.
Das Doppelsitzerteam Tobias Wendl und Tobias Arlt beschreibt das Gefühl bei
Windgeschwindigkeiten in Orkanstärke: "Ja, es spannt schon die Muskulatur. Du
musst ja die Körperspannung halten. Nach drei Minuten da drinnen merkt man dann
schon, dass die Konzentration ein wenig nachlässt." Auch der amtierende
Einzelweltmeister Felix Loch und der Vizeweltmeister David Möller stellten sich
den Windkräften. Das Frauenteam war mit Tatjana Hüfner und Natalie Geisenberger
am Testen.
![Rodler im BMW Windkanal 1987 (v.l.n.r.: stehend: Georg Hackl, Sepp Lenz, liegend: Thomas Schwab, Wolfgang Staudinger)](2008/bmw_windkanal_p0049679-c.jpg)
Rodler im BMW Windkanal
1987 (v.l.n.r.: stehend: Georg Hackl, Sepp Lenz, liegend: Thomas Schwab,
Wolfgang Staudinger)
Die Medaillenkandidaten waren auch auf die Ergebnisse des neuen Schlittens
gespannt. Denn diese sind maßgefertigt. Thomas Schwab erklärt das genauer: "Wir
haben die Verkleidung unter dem Schlitten verändert und noch besser an den
Sportler angepasst. Und wir versuchen, die Fahrhaltung des Sportlers individuell
auf seinen Schlitten bezogen, hier im Windkanal zu optimieren." Und der Mann
weiß wovon er spricht. Schließlich lag er selbst schon als aktiver Rodler im BMW
Windkanal.
Hochgeschwindigkeitstests für den Viererbob.
Der Start in die vergangene Saison war für den Viererbob problematisch.
Deshalb hat dieser Schlitten nach Aussage von Cheftrainer Raimund Bethge höchste
Priorität. Schon im Juni wurde der neue Prototyp für die anstehende Saison im
Windkanal der BMW Group getestet.
Die Vergleichstests zwischen dem Schlitten der vergangenen Saison und dem
Prototyp waren vielversprechend. Obwohl der Bob den Athleten mehr Platz bietet,
konnten die Werte für Luftwiderstand und Auftrieb deutlich verbessert werden.
Trotzdem legten die Experten noch vor Ort Hand an und untersuchten verschieden
modellierte Frontpartien und die Auswirkungen auf den Auftrieb im vorderen Teil
des Schlittens.
![Rodelkufen im BMW Wärmebehandlungszentrum](2008/bmw_waermebehandlungszentrum_p0049681-c.jpg)
Rodelkufen im BMW
Wärmebehandlungszentrum
Der Blick von Bethge geht noch weiter in die Zukunft, Richtung Olympia 2010
in Vancouver: "Whistler ist eine Hochgeschwindigkeitsstrecke, also wird auch die
Aerodynamik eine sehr große Rolle spielen, und deshalb ist natürlich jetzt schon
die Vorbereitung in vollem Gange." Der dreifache Olympiasieger Kevin Kuske
erklärt die Bedeutung der Windkanaltests: "Wir haben ja, was viele gar nicht
wissen, wie Autos auch eine relativ hohe Geschwindigkeit von bis zu 160 km/h,
und ich schätze in Vancouver sogar über 160 km/h."
Am Ende des Testtages: zufriedene Gesichter. Auch beim Generalsekretär des
BSD, Thomas Schwab: "Wir erwarten uns eine Verbesserung in der gesamten
Aerodynamik, die man nach den Ergebnissen von heute auch erhoffen darf. Und
damit verbunden natürlich eine Verbesserung auf der Bahn." Der B-Kader Pilot
Karl Angerer überzeugte sich persönlich vor Ort vom Potenzial des neuen Bobs:
"Erhoffen tun wir uns, dass er schneller ist. Es könnte ein Zehntel sein oder
ein paar Hundertstel. Aber im Bobsport sind schon die Hundertstel wichtig. Wenn
es nur zwei Hundertstel sind, dann hat es sich für uns schon enorm gelohnt."
Starke Partner für effiziente Dynamik.
Die BMW Group freut sich, durch die Testmöglichkeiten in ihren Windkanälen
seit über zwanzig Jahren zum Erfolg der deutschen Bobfahrer und Rennrodler
beizutragen. Seit den 1990er Jahren gibt es außerdem eine Zusammenarbeit
zwischen dem BMW Group Wärmebehandlungszentrum und den Rennrodlern. Hier werden
seit einiger Zeit die Kufen der Rodler optimiert.
![Rodler David Möller im BMW Windkanal](2008/bmw_windkanal_p0049682-c.jpg)
Rodler David Möller im
BMW Windkanal
Exakte Messergebnisse auch bei hohen Geschwindigkeiten bilden die Grundlage
der Fahrzeugentwicklung. Und diese Genauigkeit, die der Windkanal der BMW Group
ermöglicht, liefert den entscheidenden Mehrwert für die Sportler, deren Siege
oft von Tausendstelsekunden abhängen.
Quelle: BMW Presse-Mitteilung vom 20.11.2008
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