VERDICHTUNGSVERHÄLTNIS UND KLOPFFESTIGKEIT (aus einem Motorenbuch)
Welche Leistung ein Motor entfaltet, wieviel von der Kraftstoffenergie als Nutzarbeit zur Kurbelwelle und Kupplung gelangt - notabene auf dem Umweg über hohe Temperaturen und Drücke - hängt also in erster Linie von der verarbeiteten Gasmenge ab, von der gründlichen Füllung der Zylinder mit Frischgas und von hohen Motordrehzahlen. Hinzukommt, als zweiter Faktor, eine ergiebige Verbrennung, ein vorteilhafter »Druckverlauf« ... und schließlich in der gesamten Mechanik möglichst geringe Reibung, technisch ausgedrückt ein guter (mechanischer) Wirkungsgrad.
Großen Einfluß auf den Ablauf der Verbrennung gewinnt, wenn auch nicht allein, das Verdichtungsverhältnis, das seit N. A. Otto von knapp 4 : 1 auf das zwei- bis dreifache angestiegen ist. Dies vor allem, seit Ricardo und andere große Ingenieure im »Mittelalter« des Motorenbaus, wie man die zwanziger Jahre bezeichnen kann, die grundlegenden Erkenntnisse über die motorische Verbrennung sammelten. In modernen Sport- und Hochleistungsmotoren sind zweistellige Verdichtungsverhältnisse die Regel.
Sie verursachen entsprechend hohe Drücke und Temperaturen des Gasgemischs schon vor der Zündung. »Verdichtungsdrücke« von 12 bis 18 bar bei Temperaturen von 400 bis 600° C. Nach der Zündung und Entflammung steigen sie weiter, um das drei- bis vierfache, auf die erwähnten 50 bis 60 bar bei Temperaturen über 2000° C. Dennoch verlaufen normale Verbrennungen
zügig - und sogar relativ langsam, weit entfernt von einer »Detonation« geschweige denn »Explosion«. Folglich war die früher verbreitete Bezeichnung »Explosionsmotor« - gottlob - falsch. Die Verbrennungsgeschwindigkeiten liegen, mit 20 bis 30 m/sec, weit unter den Gasgeschwindigkeiten in Einlaß- oder gar Auslaßkanälen.
Anders beim »Klopfen«, das die normale, vom Zündfunken eingeleitete Verbrennung als eine Detonation überlagert. Gasmengen, die von der fortschreitenden Flamme noch nicht erfaßt sind, werden zusätzlich stark verdichtet und aufgeheizt . . . bis eine Selbstentzündung erfolgt, die ihrerseits heftige und hörbare Druckwellen gegen die Wände des Verbrennungsraums und gegen den Kolbenboden schleudert. Darunter leidet die nutzbare Motorleistung, während die Druckund Wärmebelastung aller betroffenen Bauteile stark steigt.
In jedem Motor setzt die Klopffestigkeit dem Verdichtungsverhältnis eine unüberschreitbare Schranke. Klopfen und »Klingeln« betreffen stets das Zusammenwirken von Motor und Kraftstoff. Da jedoch ein späteres Kapitel die Kraftstofffragen behandelt, interessiert uns hier allein die »motoreigene« Klopffestigkeit, die von zahlreichen Faktoren abhängt:
-von der tatsächlichen Füllung und Verdichtung (also von viel oder wenig »Gas«),
-von den gesamten Temperatur- und Kühlungsverhältnissen,
-von der Zusammensetzung und Verteilung des Gasgemischs,
-von der Vorzündung und der Anordnung der Zündkerze im Brennraum,
ganz besonders aber von dessen Profil und Form.
Auch der Motorzustand und die unvermeidlichen Rückstände im Verbrennungsraum spielen eine beachtliche Rolle.
Sehr klopfanfällig waren die gestreckten und zerklüfteten Brennräume der ehemals vorherrschenden seitengesteuerten Motoren wegen der langen Flammenwege und der ausgeprägten »Heizkammer« über den Ventilen. Ein Gegenstück zu ihnen bildet der in Hochleistungsmotoren dominierende halbkugelige Verbrennungsraum direkt über dem Zylinder. Er verlangt allerdings einen aufwendigen, teuren Ventiltrieb. Außerdem wird der Motor größer und schwerer, manchmal auch etwas unelastischer. Er wirkt bei niedrigen und mittleren Drehzahlen ein wenig »müde«, vor allem dann, wenn auch Vergaser, Kanäle und Ventile auf hohe Drehzahlen und Spitzenleistungen zugeschnitten sind.
Die wertvollen Vorzüge guter Alltagsmotoren, hohe Elastizität und kräftiger Durchzug bei niedrigen Drehzahlen, leichtes Anspringen unter allen Umständen und runder Leerlauf, Sparsamkeit, Laufruhe und lange Lebensdauer ... sie verlangen vom Konstrukteur immer Kompromisse anstelle extremer Lösungen, mögen sie im Einzelnen noch so attraktiv sein.