Fehlersuche an der Vorderradaufhängung
bei Vibrationen/Flattern der Räder zwischen 70 - 90 Km/h (Shimmy-Effekt)
Die >elastokinematische< Vorderachse/Vorderradaufhängung besteht aus
dem Achskörper, den 2 MacPherson Federbeinen mit Radnaben,
Bremsscheiben und Bremssätteln, den 2 Querlenkern, den 2 Schubstreben,
der mittleren, linken und rechten Spurstange, dem Lenkgetriebe,
dem Lenkstockhebel und dem Lenkführungshebel, den 2 Spurstangenhebeln
einem Verbindungsrohr, einem Stabilisator, 2 Druckstangen
und noch anderen Kleinteilen.
Der Achskörper ist wie das Verbindungsrohr mit der Karosserie veschraubt.
Das Lenkgetriebe ist mit dem Achskörper verschraubt.
Der Lenkstockhebel ist auf die Spindel des Lenkgetriebes aufgesteckt
und festgeklemmt.
Der Lenkführungshebel ist mit dem Achskörper verschraubt.
Die mittlere Spurstange ist mit mit dem Lenkführungshebel
und dem Lenkstockhebel verschraubt.
Die mittlere Spurstange ist mit der linken und der rechten Spurstange
mit den Spurstangenhebeln, die jeweils an das linke und rechte Federbein
angeschraubt sind, verbunden.
Alle 3 Spurstangen haben Kugelgelenke.
Die Querlenker und Druckstreben haben an einem Ende ein Kugelgelenk,
am anderen Ende ein Gummilager. Für die Druckstreben gibt es
2 verschiedene Gummilager. Eines ist speziell für den 750er, weil
dessen Motor am schwersten ist. Ich baue immer die für den 750er ein.
Sie sind stabiler und härter.
Jeweils an einem Spurstangenhebel/Federbein ist ein Querlenker
angeschraubt, dessen anderes Ende mittels einem Gummilager am
Achskörper festgeschraubt ist.
Die Querlenker führen das Federbein in Querrichtung des Fahrzeugs,
also von Vorderad zu Vorderrad.
Jeweils an einem Spurstangenhebel/Federbein ist auch eine Druckstrebe
angeschraubt, deren anderes Ende mittels einem Gummilager am
Verbindungsrohr festgeschraubt ist.
Die Druckstange ist mit einem Ende am Federbeinrohr
und mit dem anderen am Stabilisator angeschraubt.
Die Druckstreben führen das Federbein in Längsrichtung des Fahrzeugs.
Durch die Verschraubung des Federbeins im Federbeindom der Karosserie
ist somit eine eine exakte Führungs des Rades durch 3 Anlenkpunkte
gegeben. Beim Lenken schwenken die Vorderräder um die räumlich
geneigte Achse, die durch die Gelenke der Radaufhängung bestimmt wird.
Diese Bewegung bezeichnet man als Kinematik.
Jetzt kommen die Gummilager ins Spiel.
Die an der Radaufhängung angreifenden Antriebs-, Brems-, Seitenkräfte
usw. wirken sich infolge der Elastizität der Gummilager auf die
kinematischen Radstellungen aus.
Durch diese >elastokinematischen< Effekte werden je nach Fahrsituation
gezielte Radstandsänderung in Bezug auf Spur und Sturz angestrebt, die
das Fahrverhalten positiv beeinflussen.
Im Prinzip also was ganz Tolles !
Speziell die Gummilager der Druckstreben leiern ziemlich schnell aus,
so daß die eigentlich gewünschte Radstellung nicht eingehalten wird.
Beispiel:
Beide Vorderräder fahren parallel geradeaus. (So wie es sein soll)
Das linke Vorderrad gerät in eine Spurrille und wird nach links gedrückt.
Das Gummilager der Druckstrebe fängt einen Teil der Bewegung ab und
hält das Rad dann wieder in Parallelstellung, weil es wie eine Feder wirkt.
Ist das Lager aber nicht mehr in Ordnung, wird das Rad nicht mehr
korrekt geführt und fängt an zu schlingern.
Diese Bewegung wird durch das Lenkgetriebe auf Lenkrad übertragen
und das Lenkradflattern ist da !
Daß das hauptsächlich im Geschwindigkeitsbereich so um die 80 Km/h
passiert, hat mit Flieh- und Kreiselkräften bei einem bestimmten
Raddurchmesser zu tun.
Diese Schlingerbewegung kann auch durch schlecht ausgewuchtete Reifen
entstehen, was sich umso mehr auswirkt, je breiter die Reifen sind.
Aber auch wenn die Breitreifen exakt gewuchtet sind, kann es zum
'Flattern' kommen, weil an breiteren Reifen größere Kräfte wirken
und so Verschleiß an Gummilagern und Kugelgelenken viel früher zum
Vorschein kommt.
Die Spur einstellen zu wollen ohne vorher die fehlerhaften Teile gefunden
und ersetzt zu haben, ist sinnlos !
Bei verschlissenen Kugelgelenken ändert sich die Spur beim Fahren ständig.
Gerade beim Einparken fühlt und hört man so in 'Knacken', wenn sich
die Kugel im ausgeschlagen Plastiklager des Querlenkers verschiebt.
Damit die Spur richtig eingestellt werden kann,
und später im Fahrbetrieb alles stimmt,
müssen einige Vorrausetzungen auch stimmen:
Radlager O.K.,
Bremsen O.K. (kein Seitenschlag, Bremssattel festgeschraubt,
Bremskolben nicht festgefressen)
Lenkgetriebe O.K.
Reifen und Felgen O.K. (ordentliches Profil, kein Schlag, gewuchtet)
Stoßdämpfer und Stoßdämpferstützlager O.K.
Karosserie O.K. (Kein Unfall, nicht verzogen)
Beim Einstellen der Spur soll das Fahrzeug nach Herstellerangabe
belastet sein. ( Vordersitze, Rückbank, Kofferraum, vollgetankt )
Und: Da die Hinterachslageung auch elastokinematisch ausgeführt ist,
müssen auch die Gummilager des Hinterachsträgers und der Längs-
lenker ins Ordnung sein, sonst 'schwimmt' die Kiste doch wieder !
Es ist auch nicht gerade billig, auf Verdacht nach und nach Teile auszutauschen.
Da kann man besser gleich alles auf einen Schlag wechseln.
Bei einer Laufleistung von über 200000km ist das sowieso das Beste,
weil es früher oder später bestimmt notwendig wird,
besonders bei Breitreifen und harten Federn/Stoßdämpfern.
Dann hat man wieder eine Weile Ruhe.
Am einfachsten beginnt man mit einer Sichtprüfung.
Durch Sichtprüfung kann man erkennen, ob die Gummimanschetten der Kugelgelenke von Spurstangen, Querlenker und Druckstrebe beschädigt sind.
Wenn ja, dringt Feuchtigkeit und Schmutz ein ===> Der Verschleiß ist vorprogrammiert.
Das Teil ausbauen, die Manschette demontieren und das Gelenk prüfen.
Ist noch Fett drin oder schon Rost?
Das Kugelgelenk darf sich von Hand nur schwer bewegen lassen.
Am besten mal bei einem Neuteil probieren, dann kann man vergleichen.
Wenn kein Rost, Fett O.K. und die Kugel noch stamm sitzt,
neue Manschette montieren, gibt es einzeln und kostet ca. 3,--Euro.
Wenn es leicht geht, ist es schon an der Grenze.
Hat es gar schon fühlbares Spiel oder wackelt ===> weg damit.
Ausgeschlagene Gelenke der Spurstangen sieht und fühlt man,
wenn jemand das Lenkrad schnell von links nach rechts und
umgekehrt bewegt, so wie es beim TÜV gemacht wird.
Ausgeschlagene Gelenke der Querlenker und Druckstreben kommt man so
nicht auf die Schliche, das Fahrzeuggewicht ist zu groß.
Aufgebockt kann man es mit rütteln am Rad probieren oder mit einem
Montiereisen versuchen, die Teile bei den Kugelgelenken zu bewegen.
Am Besten ist ein professioneller Prüfstand, bei dem die Vorderräder
auf zwei Platten stehen, die in Schwingungen versetzt werden, so
ähnlich wie ein Stoßdämpferprüfstand.
So, das war's mal im Groben als Übersicht.
Eigentlich ist alles komplizierter, darüber gibt's Literatur.
Viel Glück beim Suchen !
Gruß Manu